Montag, 9. Mai 2022

VdK-Studie: Häusliche Pflege am Limit

Jeder dritte pflegende Angehörige überfordert

Verena Bentele
© VdK / Marlene Gawrisch


Mehr als ein Drittel der Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen, fühlen sich extrem belastet und können die Pflegesituation nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht mehr bewältigen. Dies ist eines von vielen Ergebnissen der bislang größten Studie zur Situation in der häuslichen Pflege, die die Hochschule Osnabrück im Auftrag des Sozialverbands VdK durchgeführt hat.

„Die Ergebnisse bestätigen: Die häusliche Pflege ist am Limit. Es rächt sich, dass sie jahrelang ein Stiefkind der Politik war und sträflich missachtet wurde. Wird dieser Kurs fortgesetzt, gehen wir einer düsteren Pflege-Zukunft entgegen!“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele heute bei der Vorstellung der Studie auf einer Pressekonferenz.

Die Studie, die auf der Online-Befragung von 56.000 Menschen im vergangenen Jahr basiert, bringt erstmals Licht in das Dunkelfeld der häuslichen Pflege. Demnach sind 72 Prozent der Pflegenden weiblich. Die Hälfte der Befragten versorgt ein Elternteil. Jeder zweite der Pflegenden ist bereits im Rentenalter und körperlich selbst nicht mehr fit: 63 Prozent haben täglich körperliche Beschwerden und 59 Prozent geben an, wegen der Pflege die eigene Gesundheit zu vernachlässigen.

„Diese Menschen brauchen dringend Unterstützung und zwar eine, die auch wirklich zur Verfügung steht, zu ihren Bedürfnissen passt und sie unbürokratisch erreicht“, fasste Bentele die Ergebnisse der Befragung zusammen. Obwohl ein Großteil der Befragten sich mehr von den bisher möglichen Entlastungsangeboten wünscht wie etwa der Tages- und Nachtpflege (61 Prozent), der Kurzzeitpflege (77 Prozent) oder der Verhinderungspflege (84 Prozent), werden 62 bis 93 Prozent dieser Leistungen von ihnen nicht in Anspruch genommen. Dieser Widerspruch hat verschiedene Gründe: Zum einen gibt es nicht genügend Kapazitäten professioneller Pflegeanbieter. So gaben 49 Prozent an, dass es nicht genug Tagespflegeplätze gebe, 56 Prozent zu wenig Kurzzeitpflegeplätze. „Wir brauchen daher dringend den Anspruch auf einen Tagespflegeplatz – so wie es diesen auch auf einen Kindergartenplatz gibt“, forderte Bentele.

Ein weiterer Grund für die geringe Inanspruchnahme sind die oft hohen Zuzahlungen. Über die Hälfte der Befragten schreckt dies davon ab, einen Pflegedienst (56 Prozent), die Tagespflege (52 Prozent), Verhinderungspflege (57 Prozent) und Kurzzeitpflege (57 Prozent) in Anspruch zu nehmen. Vom Pflegegeld, das 82 Prozent der Befragten bekommen, bliebe sonst zu wenig übrig, befürchten sie. Zudem wird jeder Fünfte von dem Antragsverfahren und der Dauer des Prozederes der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege abgeschreckt.

„Wir brauchen eine grundlegende Reform der Unterstützungsleistungen“, schloss Bentele aus den Ergebnissen. Ein einheitliches Budget, in das alle Ansprüche einfließen, würde vielen Menschen deutlich besser helfen. „Dann würden nicht genutzte Leistungen auch nicht mehr verfallen. Man nutzt das Geld für die Leistung, die einem was bringt. Zudem muss es möglich sein, dass damit auch die Personen bezahlt werden, die die Betroffenen schnell und verlässlich unterstützen und entlasten können: die Nachbarin, jemand aus dem Freundeskreis, Ehrenamtliche“, so Bentele. Es würde das System zudem übersichtlicher machen und vereinfachen.

„Dringend notwendig ist zudem eine unabhängige Beratung, sagte Bentele. Denn die Studie zeige auch: Erhält ein pflegender Angehöriger keine Beratung, werden deutlich weniger Pflegeleistungen in Anspruch genommen. Wird beraten, steigt die Wahrscheinlichkeit eine Pflegeleistung zu nutzen um ein Vielfaches - etwa bei der Tagespflege von 17 auf 83 Prozent.

Mehr als 80 Prozent der 4,1 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause von nahestehenden Menschen versorgt, entweder von diesen allein oder mit Hilfe von ambulanten Pflegediensten (3,3 Millionen). Die VdK-Studie zeigt, dass auch in Zukunft die meisten Deutschen die Pflege zu Hause der in einem Pflegeheim vorziehen. Nur zehn Prozent können sich vorstellen in einem Pflegeheim versorgt zu werden, bei den Pflegebedürftigen sind es sogar nur 2,3 Prozent.

Damit dieser Wunsch zuhause gepflegt zu werden, wahr wird startet der VdK am Montag eine Kampagne zur Stärkung der häuslichen Pflege unter dem Motto „Nächstenpflege braucht Kraft und Unterstützung“.

„Häusliche Pflege steht nur für den Ort, wo gepflegt wird. Es geht aber um viel mehr: Die Beziehung zwischen Pflegebedürftigem und Pflegendem. Diese Beziehung ist sehr emotional und von Liebe geprägt. Deshalb sprechen wir nicht mehr von häuslicher Pflege, sondern von Nächstenpflege“, sagte Bentele. Auch das bestätige die Studie: Für 79 Prozent der Pflegenden ist es „selbstverständlich“ ihre Nächsten zu pflegen. Jeder zweite gab an, dass die Beziehung von großer Nähe und Liebe geprägt sei.

„Anders als professionelle Pflege-Dienstleister oder der Pflegeberuf haben Menschen, die ihre Nächsten zu Hause pflegen, keine Lobby. Sie haben keine Zeit, um auf die Straße zu gehen. Deshalb geben wir ihnen eine Stimme“, sagte Bentele. Den Anfang machte der VdK heute mit einer Demonstration ohne Menschen vor dem Kanzleramt, für die er die Botschaften seiner pflegenden Mitglieder auf Schilder gedruckt und vor dem Kanzleramt aufgestellt hat.

Montag, 25. April 2022

Sind Alzheimer und Demenz das Gleiche?

Demenz ist ein Überbegriff und nicht gleichzusetzen mit Alzheimer

Im alltäglichen Sprachgebrauch werden die Begriffe „Alzheimer“ und „Demenz“ oft gleichbedeutend verwandt. Der Begriff „Demenz“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet sinngemäß „ohne Geist“. Über 50 verschiedene Störungen der Gehirnleistung werden darunter zusammengefasst. Demenz ist also ein Überbegriff und nicht gleichzusetzen mit der Alzheimer-Krankheit.

Genauer gesagt: Alzheimer ist mit rund zwei Drittel aller Fälle die häufigste Form der Demenz. 

Weitere Demenzformen sind beispielsweise die Vaskuläre Demenz, die Frontotemporale Demenz, die Lewy-Körperchen Demenz und die Demenz bei Parkinson.

Obwohl Ursachen und Verlauf unterschiedlich sind, führen alle Demenzerkrankungen zum Abbau der geistigen Fähigkeiten. 

Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter. Typische Symptome einer Demenz sind Störungen des Gedächtnisses, der Sprache, des Denkens, der Wahrnehmung, der logischen Argumentation und des Verhaltens.

Einen Überblick über die häufigsten Demenzformen bietet der kostenfreie Ratgeber „Die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzen“. Beleuchtet werden jeweils die Risikofaktoren, die Symptome, der Krankheitsverlauf sowie die Diagnose und Behandlung.

Bestellinformation: „Die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzen“ kann kostenfrei bestellt werden bei der Alzheimer Forschung Initiative e.V., Kreuzstr. 34, 40210 Düsseldorf; Telefonnummer 0211 - 86 20 66 0; Webseite: www.alzheimer-forschung.de/alzheimer-und-andere-demenzen.

Weitere Informationen zur Alzheimer-Krankheit

Über die Alzheimer Forschung Initiative e.V.

Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) ist ein gemeinnütziger Verein, der das Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats e.V. trägt. Seit 1995 fördert die AFI mit Spendengeldern Forschungsprojekte engagierter Alzheimer-Forscher*innen und stellt kostenloses Informationsmaterial für die Öffentlichkeit bereit. Bis heute konnte die AFI 312 Forschungsaktivitäten mit über 12,2 Millionen Euro unterstützen und rund 880.000 Ratgeber und Broschüren verteilen. Interessierte und Betroffene können sich auf www.alzheimer-forschung.de fundiert über die Alzheimer-Krankheit informieren und Aufklärungsmaterial anfordern. Ebenso finden sich auf der Webseite Informationen zur Arbeit des Vereins und allen Spendenmöglichkeiten. Botschafterin der AFI ist die Journalistin und Sportmoderatorin Okka Gundel.

Mittwoch, 20. April 2022

Neuer Zuschuss fürs Pflegeheim

Was der Leistungszuschlag für Bewohner konkret bedeutet


Die Kosten für einen Pflegeheimplatz überfordern viele Bewohner finanziell.
Foto: djd/compass private pflegeberatung/mattphoto


Wer in Deutschland im Pflegeheim lebt, erhält dafür zwar auch Geld von der Pflegeversicherung, muss aber für Unterkunft, Verpflegung und einen Teil der Pflegekosten selbst aufkommen. Und dies wird von Jahr zu Jahr teurer: Der vom Heimbewohner zu zahlende Anteil beträgt im Bundesdurchschnitt mittlerweile 2.149 Euro pro Monat. Das können viele Pflegebedürftige nicht aufbringen. Um den finanziellen Druck zu verringern, wurde mit der Pflegereform zum Jahresbeginn ein neuer Leistungszuschlag eingeführt. "Das heißt, dass die Pflegeversicherung im ersten Jahr des Heimaufenthalts fünf Prozent, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent des pflegebedingten Eigenanteils übernimmt", erklärt Frank Herold von der compass private pflegeberatung.
 

Ersparnis kann je nach Heim variieren

 
Doch wie viel spart ein Pflegeheimbewohner dadurch konkret? "Das ist kaum konkret zu benennen, da die Eigenanteile von Heim zu Heim variieren und es auch große Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt", so der Pflegeexperte. Wichtig zu wissen: Der Zuschlag gilt nicht für Unterkunft und Verpflegung, sondern nur für den pflegebedingten Teil der Kosten, der zurzeit im Schnitt 919 Euro im Monat beträgt. Daran gemessen ergibt das eine mittlere Ersparnis von etwa 46 bis 643 Euro monatlich. Die für die Höhe des Zuschlags entscheidende Aufenthaltsdauer wird ab der tatsächlichen Heimaufnahme berücksichtigt, auch vor Inkrafttreten des Gesetzes - mehr Informationen gibt es unter www.pflegeberatung.de. Wer also im Januar 2021 eingezogen ist, ist 2022 schon im zweiten Jahr. "Dabei gilt immer der komplette Monat, in dem man eingezogen ist, auch wenn der Einzug zum Beispiel am 29. Januar war", ergänzt Frank Herold.
 

Bei Unsicherheiten beraten lassen

 
Um den Zuschlag zu erhalten, müssen Pflegebedürftige nicht selbst aktiv werden. "Der Kostenträger sollte das eigentlich von sich aus berücksichtigen. Gibt es 2022 keine Veränderung in der Abrechnung, sollten Betroffene eine Pflegeberatung in Anspruch nehmen", rät Herold. Die compass-Hotline unter der Nummer 0800-101-8800 steht dafür zur Verfügung. Für Privatversicherte werden außerdem Hausbesuche oder auch Pflegeberatungen per Videotelefonie angeboten.