Montag, 27. September 2021

VdK-Präsidentin: „Sofortprogramm der nächsten Bundesregierung muss endlich Pflege zu Hause stärken“

Häusliche Pflege braucht eine echte Pflegereform und keine weitere Ignoranz



Der Sozialverband VdK kritisiert, dass die Bundesregierung pflegende Angehörige und die zu Hause Gepflegten bei der Pflegereform „schändlich im Stich gelassen“ hat. „Vier von fünf Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt – meist von ihren Angehörigen. Kümmerten sie sich nicht um ihre hilfsbedürftigen Ehepartner, Eltern oder Kinder, würde das ganze System zusammenbrechen. Die nächste Bundesregierung muss endlich eine echte Reform auf den Weg bringen, die diese Menschen entlastet und auch die zu Hause Gepflegten unterstützt“, forderte VdK-Präsidentin Verena Bentele anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Bündnisses für Gute Pflege.

Aus Sicht des VdK müssten Entlastungsangebote zu einem Budget ausgebaut und vereinfacht werden. Außerdem werde ein flächendeckendes Netz von Beratungsangeboten in allen Bundesländern gebraucht, ebenso wie eine aus Steuermitteln finanzierte Lohnersatzleistung analog zum Elterngeld. Diese soll es pflegenden Angehörigen ermöglichen, Pflege und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Auch das Pflegegeld für pflegende Angehörige müsse inflationsbedingt regelmäßig erhöht werden, um Kostensteigerungen auszugleichen, so der VdK.

Pflegebedürftige müssten selbst bestimmen können, wie sie ihren Alltag mit der Pflege gestalten, forderte Bentele: „Dafür brauchen sie alle notwendigen Informationen zu Maßnahmen und Qualitätsunterschieden. Nur dann können sie entscheiden, welche Hilfe sie im privaten Rahmen abdecken wollen und welche Leistungen professionelle Pflege- und Betreuungskräfte erbringen sollen.“

Die Pflegeversicherung müsse endlich in eine Pflegevollversicherung umgebaut werden, die alle pflegebedingten Kosten abdeckt. „Sonst ist Pflege für viele nicht mehr bezahlbar. Pflege darf nicht mehr zur Armutsfalle werden“, sagte Bentele.

Das Bündnis für Gute Pflege setzt sich seit zehn Jahren für die Verbesserung der Pflege ein. Neben dem Sozialverband VdK engagieren sich Organisationen pflegebedürftiger Menschen, pflegender Angehöriger und Verbände des Verbraucherschutzes, Gewerkschaften, Berufsverbände und Verbände von Trägern von Pflegeeinrichtungen. Die 23 Verbände und Organisationen vertreten gemeinsam die Interessen von insgesamt rund 13,6 Millionen Mitgliedern.

Mittwoch, 15. September 2021

Selbstfürsorge in der Pflege: Auf Alarmsignale achten

Neuer Onlinekurs der KKH „Achtsamkeit für pflegende Angehörige“


Die Corona-Pandemie ist besonders für pflegende Angehörige eine große Belastungsprobe. Damit diejenigen, die sich um pflegebedürftige Menschen kümmern, auf Dauer nicht selbst körperlich und seelisch beeinträchtigt werden, hat die KKH Kaufmännische Krankenkasse wichtige Tipps für die Selbstfürsorge in einem neuen Online-Seminar zusammengestellt. 

Im Fokus stehen die besonderen psychischen und körperlichen Belastungen, die pflegende Angehörige erleben. „Es ist wichtig, im stressigen Pflegealltag auch für sich selbst zu sorgen, um mit den eigenen Bedürfnissen nicht auf der Strecke zu bleiben“, erklärt Andrea Schneider, Leiterin der Pflegekasse bei der KKH Kaufmännische Krankenkasse. „Dazu gehört, sich selbst besser kennenzulernen und die Signale des Körpers besser zu verstehen. Also deuten sich Kopfschmerzen an, zwickt es im Rücken oder neigt man zu Gereiztheit, das sind Alarmsignale, die unbedingt ernst genommen werden sollten“, rät die Pflegeexpertin.

In solchen Situationen kann es hilfreich sein, sich auf den Moment und den Atem zu konzentrieren. Deshalb hält das neue Online-Modul „Selbstfürsorge durch Achtsamkeit“ geführte Audio-Meditationen und verschiedene Anleitungen zum Stressmanagement für den Alltag bereit. „Wer mit Stress umzugehen weiß, immer wieder zur Ruhe findet, seinen Körper selbst spürt und negative Energie und Gefühle abbaut, kann sich auch wieder gestärkt und mit der nötigen Aufmerksamkeit der zu pflegenden Person zuwenden“, ist Andrea Schneider überzeugt. 

Das Online-Seminar mit jeweils 19 Praxis- und Wissensmodulen kann im Rahmen des Online-Pflegecoaches individuell und nach eigener Zeiteinteilung als E-Learning-Kurs durchgeführt werden. 

Anmeldungen erfolgen über https://www.kkh-pflegecoach.de/kurs-selbstfuersorge-pflege

Mittwoch, 8. September 2021

Trotz Pflegereform weiterhin unkalkulierbare Kosten für Pflegebedürftige

DAK-Studie: Anteil der Sozialhilfeempfänger in der Pflegeversicherung steigt 2021 Modellrechnungen zufolge auf Rekordniveau von 35 Prozent.




Auch nach der Pflegereform der Bundesregierung entstehen unkalkulierbare Kosten für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen. Das ist ein Ergebnis der neuen Studie des Bremer Pflegeökonomen Prof. Dr. Heinz Rothgang im Auftrag der DAK-Gesundheit. Mehr als ein Drittel der Pflegebedürftigen ist aktuell von Sozialhilfe abhängig. Ihr Anteil wird in diesem Jahr das Rekordniveau von rund 35 Prozent erreichen. Das ist der höchste Wert seit Einführung der Pflegeversicherung Mitte der 1990er Jahre. 

An dieser Entwicklung wird sich auch durch die Pflegereform mittelfristig nichts ändern. Die mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) verabschiedete Pflegereform führt nur zu einer kurzfristigen Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen. Auch in Zukunft wird daher ein erheblicher Teil der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen auf Sozialhilfe angewiesen sein. Nach einem Rückgang 2022 ist bereits 2023 mit einem erneuten Anstieg zu rechnen. Zudem droht in der Pflegeversicherung eine reformbedingte Deckungslücke von 1,1 Milliarden Euro, die 2025 auf 3,5 Milliarden Euro steigt.

Laut DAK-Studie des Bremer Pflegeökonomen Prof. Dr. Heinz Rothgang wirkt die Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht nachhaltig. „Die Entwicklungen in der Pflegeversicherung sind alarmierend“, warnt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Die Pflegeversicherung kann trotz der jüngsten Reform ihren eigenen Anspruch, pflegebedingte Sozialhilfeabhängigkeit zu verhindern, zunehmend weniger erfüllen“, so Storm weiter. Die Pflegereform 2021 sei nicht geeignet, die Probleme der finanziellen Überlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Familien zu lösen. Die neuen Leistungszuschläge führten nur zu einer kurzfristigen Entlastung, begrenzten den weiteren Anstieg der Eigenanteile aber nicht. Nach wie vor sei es unmöglich vorherzusagen, wie hoch der Eigenanteil sein werde, wenn Pflegebedürftigkeit in Zukunft auftritt. „Gezielte Vorsorge ist daher weiterhin nicht möglich“, sagt Kassenchef Storm. Die in der Pflegereform beschlossenen Leistungszuschläge seien zudem so niedrig angesetzt, dass sie im Durchschnitt nicht einmal in der Lage seien, die reformbedingten Anstiege der Pflegesätze zu kompensieren – geschweige denn die Eigenanteile zu senken. „Diese Reform ist eine ‚Pflegereform light‘. Wir brauchen dringend verlässliche und finanzierbare Heimkosten für Pflegebedürftige“, sagt Kassenmanager Andreas Storm.

Nur kurzfristige Entlastung durch Pflegereform

Datengrundlage der Expertise sind unter anderem Berechnungen zu Einkommen, Vermögen und Heimentgelten. Zudem wurden die Finanzwirkungen, die durch die Reformelemente des GVWG in Bezug auf Pflegefinanzierung, Entlohnung und Personalanstieg entstehen, analysiert. Ein Ergebnis: Durch die Verpflichtung zur Entlohnung auf Tarifniveau und die Refinanzierung von mehr Personal wird die finanzielle Entlastungswirkung der gestaffelten Leistungszuschläge zunichte gemacht. „Dies führt dazu, dass die Sozialhilfeabhängigkeit nach 2022 wieder ansteigt,“ sagt Pflegeökonom Prof. Rothgang. Schon ab 2024 werde die Sozialhilfequote der stationär versorgten Pflegebedürftigen von 2019 überschritten, deren Höhe bereits als zu hoch bewertet wurde und den Anstoß zur aktuellen Pflegereform lieferte.

„Die Modellwerte zeigen, dass – ohne eine echte Begrenzung der Eigenanteile – dauerhaft mehr als ein Drittel der Pflegebedürftigen in stationärer Versorgung auf Sozialhilfe angewiesen sein werden – mit steigender Tendenz“, so DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Der politische Handlungsbedarf bleibt unverändert hoch. Pflege darf kein Armutsrisiko sein. Deshalb gehört bereits in der ersten Hälfte der kommenden Wahlperiode eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung auf die politische Agenda.“

Mehr steuerfinanzierte Zuschüsse für die Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung wurde vor 26 Jahren nicht zuletzt deshalb eingeführt, um pflegebedingte Sozialhilfeabhängigkeit zu reduzieren. De facto führen steigende Heimkosten auch nach Einführung der neuen Leistungszuschläge zu steigenden Belastungen der Pflegebedürftigen und in der Folge zu wieder wachsenden Anteilen an Sozialhilfeempfängern. Durch die steigenden Ausgaben für Hilfe zur Pflege wächst auch die Belastung der Kommunen.

Die Pflegeversicherung übernimmt in Teilen gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Dafür müsse es einen angemessenen Steuerzuschuss geben; notwendig seien systematische Änderungen in der Finanzierungsstruktur der Pflegeversicherung, so die Studienergebnisse. „Wir brauchen eine völlig neue Finanzstatik in der Pflege, um Menschen im Pflegefall vor einem Armutsrisiko zu bewahren“, sagt Storm. Das Ziel müsse eine faire Lastenverteilung zwischen Beitragszahlern, Steuerzahlern und Pflegebedürftigen sein. Nach dem von der DAK-Gesundheit vorgeschlagenen Reformkonzept würden Pflegebedürftige dagegen mehr finanzielle Sicherheit erhalten, indem ihre Eigenanteile gedeckelt und kalkulierbar werden. Die Eigenanteile würden entsprechend der Lohnentwicklung dynamisch steigen. „Dieses Modell ist nicht nur geeignet, Sozialhilfeabhängigkeit im Bereich der stationären Pflege deutlich zu reduzieren,“ so Storm. „Es ermöglicht darüber hinaus auch dem Einzelnen, rechtzeitig Eigenvorsorge für das Risiko der Pflegebedürftigkeit zu betreiben.“

Hintergrund:
4,1 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig, von ihnen werden rund 819.000 in Heimen vollstationär versorgt (Quelle Statistisches Bundesamt). Die Ausgaben der Pflegeversicherung sind zwischen 2015 und 2020 von 29 auf 49 Milliarden Euro gestiegen (Quelle BMG).

Das Statistische Bundesamt hat am 19. August die Daten zur Entwicklung der Sozialhilfeausgaben im Jahr 2020 publiziert: Insgesamt sind sie gegenüber dem Vorjahr um 6,5 Prozent gestiegen. Der stärkste prozentuale Anstieg mit 14 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro war im Bereich „Hilfe zur Pflege“ zu verzeichnen.

Die Entgelte für einen stationären Heimplatz werden zum kleineren Teil von der Pflegeversicherung, zum größeren Teil aber von den Pflegebedürftigen selbst getragen. Die privat zu tragenden Kosten für einen stationären Heimplatz setzen sich für Pflegebedürftige aus folgenden Komponenten zusammen: Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE) für pflegebedingte Kosten im engeren Sinn, Entgelte für Unterkunft und für Verpflegung sowie gesondert in Rechnung gestellte Investitions- und Ausbildungskosten.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,6 Millionen Versicherten eine der größten Krankenkassen in Deutschland.

Freitag, 3. September 2021

Bundestagswahl: Wahlrecht gilt auch für Alzheimer-Patienten und Patientinnen

Das Wahlrecht ist ein höchstpersönliches Recht und kann nicht delegiert werden




Auch Alzheimer-Patient*innen und Menschen mit einer anderen dementiellen Erkrankung sind wahlberechtigt und haben das Recht, bei politischen Wahlen ihre Stimme abzugeben. Darauf weist die gemeinnützige Alzheimer Forschung Initiative e.V. im Vorfeld der Bundestagswahl und der Landtagswahlen am 26. September hin.

Sollten Patient*innen bei der Stimmabgabe Unterstützung brauchen, können Angehörige, Freund*innen oder Pflegepersonen behilflich sein. „Diese Person kann auch ein vom Wähler oder Wählerin bestimmtes Mitglied des Wahlvorstandes sein“, erklärt Anna-Karina Elbert von der Bundeswahlleitung in Wiesbaden. Die Unterstützung bezieht sich allerdings nur auf die technische Abwicklung der Stimmabgabe, beispielsweise das Eintüten und Einwerfen des Stimmzettels in die Wahlurne.

Nicht erlaubt und strafbar ist jede Form der Beeinflussung und Manipulation der Wahlentscheidung der Betroffenen. „Die Wahlentscheidung muss unmittelbar vom Wähler oder der Wählerin ausgehen. Es ist nicht zulässig, nur aufgrund von Vermutungen in seinem oder ihrem Sinne zu entscheiden oder ein aus der Vergangenheit bekanntes oder vermutetes Abstimmungsverhalten des Wahlberechtigten oder der Wahlberechtigten fortzuführen“, sagt Elbert. Das Wahlrecht ist ein höchstpersönliches Recht und kann deshalb auch nicht durch eine Vollmacht an eine andere Person delegiert oder von einer gesetzlichen Vertretung ausgeübt werden. Auch das Wahlgeheimnis muss von den Helfer*innen gewahrt werden.

„Um eine Wahlassistenz in Anspruch zu nehmen, müssen keine ärztlichen Diagnosen oder Atteste ins Wahllokal mitgebracht werden. Die betroffene Person muss zum Ausdruck bringen können, dass eine Hilfsperson gewünscht ist und eine eigene Wahlentscheidung treffen und äußern können“, so Elbert. Die Wahlhelfer*innen im Wahllokal sind entsprechend geschult. Auch bei der Briefwahl kann eine Assistenz technische Hilfestellung leisten.

Bis 2019 durften Menschen mit einer umfassenden gesetzlichen Betreuung, einer sogenannten „Betreuung für alle Anliegen“, nicht wählen. Dieser Wahlausschluss galt auch für Menschen mit einer dementiellen Erkrankung wie Alzheimer. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Januar 2019 entschieden, dass der Ausschluss vom aktiven Wahlrecht für betreute Personen verfassungswidrig ist.


Weitere Informationen zur Alzheimer-Krankheit

Über die Alzheimer Forschung Initiative e.V.

Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) ist ein gemeinnütziger Verein, der das Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats e.V. trägt. Seit 1995 fördert die AFI mit Spendengeldern Forschungsprojekte engagierter Alzheimer-Forscher und stellt kostenloses Informationsmaterial für die Öffentlichkeit bereit. Bis heute konnte die AFI 312 Forschungsaktivitäten mit über 12,2 Millionen Euro unterstützen und rund 880.000 Ratgeber und Broschüren verteilen. Interessierte und Betroffene können sich auf www.alzheimer-forschung.de fundiert über die Alzheimer-Krankheit informieren und Aufklärungsmaterial anfordern. Ebenso finden sich auf der Webseite Informationen zur Arbeit des Vereins und allen Spendenmöglichkeiten. Botschafterin der AFI ist die Journalistin und Sportmoderatorin Okka Gundel.