Dienstag, 7. August 2018

Stationäre Rehabilitation auch bei Demenzkranken möglich

Krankenkasse muss Kosten erstatten





Auch bei fortgeschrittener Demenz ist das Bestehen von Rehabilitationsfähigkeit und einer positiven Prognose für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht ausgeschlossen. Abzustellen ist auf die konkret-individuellen Rehabilitationsziele (hier: Verlangsamung des Krankheitsprogresses, körperliche und geistige Aktivierung). Mit dieser Begründung haben die Richterinnen und Richter des Landessozialgerichts Stuttgart eine Krankenkasse verurteilt, einer 78jährigen, an Alzheimer erkrankten Versicherten, die Kosten in Höhe von rund 5.600 € für eine vierwöchige Reha-Maßnahme in einem Alzheimer-Therapiezentrum in Begleitung des Ehemannes zu erstatten.

Urteil vom 17. 07.2018, Aktenzeichen L 11 KR 1154/18



Die Versicherte leidet seit 2013 an Alzheimer. Ihre behandelnden Fachärzte für Neurologie befürworteten und beantragten 2016 eine stationäre Reha-Maßnahme in einem speziell auf Alzheimer-Patienten ausgerichteten Therapiezentrum. Die Ärzte führten aus, es liege derzeit eine leichte bis mittelschwere Demenz vom Alzheimer-Typ vor. Mit der stationären Behandlung könne der Krankheitsverlauf voraussichtlich günstig beeinflusst werden. Als Rehabilitationsziele wurden genannt: körperliche und geistige Aktivierung, Hilfe zur teilweisen Selbsthilfe. Die Rehabilitationsfähigkeit wurde in allen Punkten bejaht (ausreichende physische und psychische Belastbarkeit; erforderliche Mobilität, ausreichende Motivation, Motivierbarkeit). Der von der Krankenkasse eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) notierte jedoch lediglich stichwortartig, es bestehe keine Reha-Fähigkeit und keine positive Reha-Prognose, ohne auf das Krankheitsbild der Versicherten und die von den Ärzten genannten Ziele einzugehen. 

Die Krankenkasse lehnte die Gewährung der Reha-Maßnahme ab. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Mannheim sind erfolglos geblieben. Die Versicherte hat sich darauf die Reha-Maßnahme selbst beschafft und in Begleitung ihres Ehemannes einen vierwöchigen Aufenthalt im Alzheimer-Therapiezentrum durchgeführt. Abzüglich des Selbstbehalts sind dabei Kosten in Höhe von rund 5.600 € entstanden, die die Versicherte nunmehr im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht von der Krankenkasse verlangt hat. Sie hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung sei spekulativ und nicht ausreichend begründet. 

Die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse ist rechtswidrig gewesen


Die Berufung der Klägerin ist in allen Punkten erfolgreich gewesen. Das Landessozialgericht hat die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten verurteilt. Die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse ist rechtswidrig gewesen, weil sie die individuellen Verhältnisse, Art und Schwere der Erkrankung und die für die Versicherte möglichen und wichtigen Behandlungsziele nicht ausreichend geprüft und gewürdigt hat, sondern sich nur auf die unzureichende, spekulativ anmutende, ablehnende Stellungnahme des MDK gestützt hat. 

Der Anspruch auf Rehabilitation setzt Behandlungsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Alle drei Voraussetzungen haben vorgelegen, wie sich nicht nur aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte ergibt, sondern auch aus dem Entlassungsbericht der Reha-Einrichtung ergibt. Die Versicherte hat sich an allen Therapieangeboten beteiligen können, sie ist im Kontakt mit anderen Familien kommunikativer und vertrauter geworden. Bereits nach kurzer Zeit ist sie erfolgreich in das Therapieprogramm integriert worden. Sie hat in den Bereichen Motorik und Ausdauer Fortschritte gemacht und konnte zuletzt wieder über 3000 Meter mit Rollator gehen. Die nonverbalen Therapieeinheiten (Bewegungstherapie, z.B. Ballspiele, Bewegung nach Musik), musikorientierte Gruppen (z.B. Singen) sowie alltagsorientierte Therapie (tiergestützte Therapie, Spiele) haben einen antriebs- und stimmungssteigernden Effekt erzielt. 

Sogar die kommunikativen Fähigkeiten sind gestärkt worden, was vor allem im Rahmen der Erinnerungstherapie deutlich geworden ist. Wegen der umfangreichen Behandlungen war eine stationäre Behandlung erforderlich, ambulante Maßnahmen hätten nicht ausgereicht. Auch die Begleitung des Ehemannes ist notwendig gewesen. Die Krankenkasse muss der Versicherten daher – abzüglich des Selbstbehalts – die Restkosten in Höhe von rund 5.600 € erstatten.

Mittwoch, 25. Juli 2018

So übersteht man die Hitzewelle

BARMER schaltet medizinische Hotline


Wie lange kann mein Kind bei der Hitze nach draußen? Wie bleibt mein Kreislauf auch bei 30 Grad auf Trab? Wie überstehen ältere Menschen den Hochsommer unbeschadet? Da die aktuelle Hitzewelle nicht nur positive Seiten hat, sondern den menschlichen Organismus auch kräftig strapaziert, schaltet die BARMER vom 26. Juli bis einschließlich 2. August eine medizinische Hotline. „Gerade für Kinder, ältere Menschen, chronisch Kranke und Personen mit Kreislaufproblemen können die hohen Temperaturen nicht nur zur Qual, sondern durchaus auch gefährlich werden. Daher geben die Ärzte unserer Hotline Tipps, worauf man achten muss, um die Hitzewelle gut zu überstehen“, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der BARMER.

Hotline steht allen Interessierten offen

An der Hotline informieren Ärzte des BARMER-Teledoktors über konkrete gesundheitliche Risiken durch die Hitze, was man im Notfall machen sollte und wie man am besten vorbeugt. „Für ältere Menschen ist es zum Beispiel besonders wichtig, regelmäßig zu trinken, auch wenn sie wenig Durst verspüren. Denn mit zunehmendem Alter lässt das Durstempfinden nach“, sagt Marschall. Neben Trinktipps informieren die Ärzte auch über einen adäquaten Sonnenschutz und einfache Hilfen, um den Kreislauf in Gang zu halten. 
Erreichbar ist die Hotline des BARMER-Teledoktors bis einschließlich 2. August jeweils von 9 bis 21 Uhr unter der Rufnummer 0800/8484111. Die Hotline ist kostenlos und steht allen Interessierten offen.

Dienstag, 17. Juli 2018

Pflegebedürftigkeit - das sollte man wissen

Für Betroffene und ihre Angehörige stellen sich viele wichtige Fragen 


Foto: djd/Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG/thx
Pflegegeld wird nicht an die pflegende Person gezahlt, sondern an den Pflegebedürftigen. Dieser kann es als finanzielle Anerkennung an pflegende Angehörige weitergeben.

Wenn die eigenen Eltern, der Ehepartner oder andere Angehörige nicht mehr alleine zurechtkommen, stellen sich viele Fragen. Hier gibt es wichtige Antworten. 

Was steht einer pflegebedürftigen Person zu? 


"Wer eine pflegerische Versorgung benötigt, kann Pflegegeld beantragen. Die Pflegeversicherung zahlt diese finanzielle Leistung, wenn die Pflege selbst sichergestellt wird - etwa durch Angehörige", erklärt Roland-Partneranwältin Susanne Gundermann, Fachanwältin für Familienrecht von der Mannheimer Anwaltssozietät Decker, Schad & Kollegen. 

Das Pflegegeld werde nicht direkt an die Pflegeperson gezahlt, sondern an den Pflegebedürftigen. Dieser könne es als finanzielle Anerkennung an pflegende Angehörige weitergeben. "Das Pflegegeld kann auch für die ambulante Pflege durch eine Fachkraft verwendet werden", so Gundermann. Bei der Betreuung in einer Einrichtung übernimmt die Pflegeversicherung die Pflegekosten je nach Pflegegrad. Die weiteren Kosten tragen die Bewohner oder deren Angehörige selbst. 

Wie beantragt man Pflegegeld? 


Den Antrag auf die Zahlung von Pflegegeld stellt man bei der Krankenkasse des Pflegebedürftigen. Voraussetzung ist, dass der Pflegebedürftige vorab einen Pflegegrad erhalten hat. "Die Einteilung wird ebenfalls bei der Krankenkasse des Pflegebedürftigen beantragt", so Gundermann. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüft die Situation zu Hause beim pflegebedürftigen Antragsteller. Danach erfolgt der Bescheid über die Festsetzung. "Wenn der Pflegegrad unerwartet gering ausfällt, sollte man binnen eines Monats Widerspruch bei der Krankenkasse einlegen", rät Gundermann. 

Für wessen Pflege muss man aufkommen? 


Laut Gesetz müssen Bürger Unterhalt für "Verwandte gerader Linie" bezahlen, also für Personen, von denen sie abstammen oder die von ihnen abstammen. "Wenn das Pflegegeld, das Einkommen und das Vermögen des Pflegebedürftigen nicht ausreichen, um etwa die Heimkosten ganz zu decken, können Kinder im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen werden", so die Roland-Partneranwältin. Ob und in welcher Höhe Kinder zahlen müssen, sollten sie sich von einem Anwalt berechnen lassen. 

Was ist mit der Pflegezeit? 


Wer bei einem Arbeitgeber mit mehr als 15 Beschäftigten angestellt ist, kann sich bis zu sechs Monate für die Pflege von nahen Angehörigen freistellen lassen. "Die Pflegezeit muss gegenüber dem Arbeitgeber zehn Arbeitstage, bevor sie in Anspruch genommen wird, schriftlich angekündigt werden", betont Gundermann. Die Pflegeperson könne sich vollständig oder teilweise von der Arbeit freistellen lassen und sei sozialversichert. Sie erhalte aber auch keinen oder nur einen anteiligen Lohn für diese Zeit. 

Pflegeperson und Rentenversicherung


Wer eine oder mehrere pflegebedürftige Personen des Pflegegrades 2 bis 5 in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig für wenigstens zehn Stunden wöchentlich - verteilt auf regelmäßig zwei Tage die Woche - pflegt, gilt als Pflegeperson. 

Wer daneben weniger als 30 Stunden in der Woche erwerbstätig ist, bekommt die Beiträge zur Rentenversicherung von der Pflegeversicherung bezahlt. "Die Höhe richtet sich nach dem Pflegegrad und der bezogenen Leistungsart der gepflegten Person", so Roland-Partneranwältin Susanne Gundermann, Fachanwältin für Familienrecht von der Anwaltssozietät Decker, Schad & Kollegen. 

Wer als Pflegeperson einen nahestehenden Menschen in seiner häuslichen Umgebung pflege, sei zudem beitragsfrei gesetzlich unfallversichert.