Mittwoch, 28. Mai 2014

Bundesregierung beschließt Pflegereform

Mehr Zeit und Geld für die Pflege

Copyright: Bundesregierung / Steffen Kugler
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf des Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuches (1. Pflegestärkungsgesetz) beschlossen. Nach der Beratung durch Bundestag und Bundesrat soll das 1. Pflegestärkungsgesetz am 1. Januar 2015 in Kraft treten. Es bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Leistungsverbesserungen bereits zum 01. Januar 2015

 
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: „Die Menschlichkeit unserer Gesellschaft muss sich gerade darin zeigen, wie wir mit Pflegebedürftigen und Kranken umgehen. Das Kabinett hat heute umfangreiche Leistungsverbesserungen in der Pflege bereits zum 1. Januar 2015 auf den Weg gebracht. Das ist eine gute Nachricht für Pflegebedürfige, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte, die eine unverzichtbare Arbeit leisten."
 
Vor allem Familien, die Angehörige zu Hause pflegen möchten, sollen mehr Unterstützung bekommen – zum Beispiel durch mehr Tages- und Kurzzeitpflege. Aber auch die Arbeit der Pflegeeinrichtungen soll leichter werden. Dazu soll die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte deutlich aufgestockt werden. Zudem wird ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet. 
 
Um diese Verbesserungen zu erreichen werden die Beiträge zur Pflegeversicherung am 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte und im Laufe der Wahlperiode um weitere 0,2 Prozentpunkte angehoben. Damit stehen insgesamt fünf Milliarden Euro mehr für Verbesserungen in der Pflege zur Verfügung. Die Leistungen der Pflegeversicherung können so um 20 Prozent ausgeweitet werden. Minister Gröhe: „Gute Pflege muss uns etwas wert sein“.
 
Das Pflegestärkungsgesetz ist das erste von zwei Gesetzen, durch die die Pflege in Deutschland verbessert wird. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz soll noch in dieser Wahlperiode der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden.
 
Die Verbesserungen des 1. Pflegestärkungsgesetzes im Einzelnen:
  • Alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden um 4 Prozent (2,67 Prozent für die erst 2012 mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz neu eingeführten Leistungen) erhöht.
  • Unterstützungsleistungen wie die Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tages- und Nachtpflege sollen ausgebaut und besser miteinander kombiniert werden können. Das entlastet Pflegebedürftige und pflegende Angehörige gleichermaßen. Menschen in der Pflegestufe 0 (v.a. Demenzkranke) erhalten erstmals Anspruch auf Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege.
  • Gestärkt werden auch die sogenannten niedrigschwelligen Angebote. Es werden neue zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen eingeführt, etwa für Hilfe im Haushalt oder Alltagsbegleiter und ehrenamtliche Helfer. Dafür erhalten künftig alle Pflegebedürftigen 104 Euro pro Monat. Demenzkranke erhalten 104 bzw. 208 Euro pro Monat. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch anstelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden.
  • Der Zuschuss zu Umbaumaßnahmen (z.B. Einbau eines barrierefreien Badezimmers) steigt von bisher 2.557 auf bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. In einer Pflege-WG kann sogar ein Betrag von bis zu 16.000 Euro eingesetzt werden. Für Pflegehilfsmittel des täglichen Verbrauchs steigen die Zuschüsse von 31 auf 40 Euro pro Monat.
  • Auch die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird verbessert. Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, erhält künftig eine Lohnersatzleistung für eine zehntägige bezahlte Auszeit vom Beruf, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Durch den Gesetzentwurf werden dafür bis zu 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Lohnersatzleistung wird in einem separaten Gesetz geregelt, das ebenfalls am 1.1.2015 in Kraft treten soll.
  • In Pflegeheimen werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte von bisher 25.000 auf bis zu 45.000 Betreuungskräften erhöht werden kann. Das verbessert den Pflegealltag und die Qualität der Versorgung in den Heimen. Und das ist auch für die Pflegekräfte eine Entlastung.
  • Mit den Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten (1,2 Mrd. Euro jährlich) wird ein Pflegevorsorgefonds aufgebaut. Er wird ab 2035 zur Stabilisierung des Beitragssatzes genutzt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge (1959 – 1967) ins Pflegealter kommen.

Montag, 26. Mai 2014

Alleinlebende Pflegebedürftige in Krisensituationen häufig auf sich gestellt

Eine aktuelle Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) verdeutlicht soziale Unterschiede in der häuslichen Pflege

Foto: Jerzy  / pixelio.de
Die meisten Deutschen wollen in den eigenen vier Wänden altern und gepflegt werden. Aber die Grenzen häuslicher Pflege werden immer dann deutlich, wenn verschiedene Risikofaktoren wie beispielsweise ausgeprägte Pflegebedürftigkeit, soziale Isolation oder geringes Einkommen zusammenkommen. Davon sind alleinlebende Pflegebedürftige besonders betroffen, wie eine repräsentative Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) zeigt. Ein Forscherteam des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) untersuchte im Auftrag des ZQP insbesondere die Frage, wie Pflegebedürftige ihre Versorgung im eigenen zu Hause organisieren und welche Faktoren die Gestaltung der häuslichen Pflege maßgeblich beeinflussen. Die vorliegenden Ergebnisse gehen über die Routinedaten der aktuellen Pflegestatistik weit hinaus. Datengrundlage ist das Sozioökonomische Panel (SOEP) des DIW mit mehr als 20.000 Personen in fast 13.000 Haushalten.

Im letzten Jahrzehnt hat sich die Zahl der alleinlebenden Pflegebedürftigen verdoppelt

„Da sich im letzten Jahrzehnt die Zahl der alleinlebenden Pflegebedürftigen verdoppelt hat, wird die Frage nach einer angemessenen Unterstützung dieser stark wachsenden Gruppe immer wichtiger. Die künftige Pflegereform muss dieser Entwicklung viel mehr Rechnung tragen“, erklärt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP.
Insgesamt leben 44 Prozent der Pflegebedürftigen allein, 42 Prozent in einem Zweipersonenhaushalt und lediglich 14 Prozent in Haushalten mit mindestens drei Personen. Dabei gibt fast jeder fünfte alleinlebende Pflegebedürftige an, keine Vertrauensperson zu haben. Neben den emotionalen Konsequenzen dieser Einsamkeit, bedeutet dies auch, dass diese Personengruppe im Fall von gesundheitlichen Krisen oder bei Behördengängen niemanden hat, dem sie vertrauen und auf den sie sich wirklich verlassen kann.
Zudem verdeutlicht die ZQP-Studie, dass alleinlebende Pflegebedürftige auch finanziell am stärksten durch Pflege belastet sind. Mehr als die Hälfte muss monatlich durchschnittlich 400 Euro aufwenden, während größere Haushalte mit rund 230 Euro deutlich weniger Geld für die Pflege aufbringen müssen. Insgesamt betrachtet verwendet etwa die Hälfte aller Pflegehaushalte in Deutschland durchschnittlich 20 Prozent des Nettohaushaltseinkommens, um die Pflege zuhause organisieren zu können. Überdies bestehen bei den meisten Haushalten kaum finanzielle Reserven.

Lebensstandard sinkt

Die Folge: Fast jeder fünfte Pflegebedürftige kann seinen Lebensstandard nicht aufrechterhalten und den Alltag nicht den eigenen Vorstellungen entsprechend gestalten. „Der Wunsch zuhause gepflegt zu werden, darf aber keine Frage des Geldes sein. Wir brauchen in diesem Bereich viel mehr Unterstützungsangebote, auch durch die Einbindung ehrenamtlicher Strukturen“, fordert Suhr.
Wie und von wem eine Person gepflegt wird, hängt in hohem Maße von der Familie, der Haushaltskonstellation und der Qualität des informellen Netzwerkes aus Freunden, Nachbarn und weiteren Bezugspersonen ab. In der Gesamtschau werden 60 Prozent der Pflegebedürftigen ausschließlich in ihrem sozialen Umfeld gepflegt, während 10 Prozent hingegen gänzlich von professionellen Diensten versorgt werden.
Die Inanspruchnahme pflegerischer Unterstützung variiert dabei zwischen den Haushaltsgrößen deutlich: Während von den Alleinlebenden 46 Prozent ausschließlich informell gepflegt werden, trifft dies bereits auf 73 Prozent der Zweipersonenhaushalte und 88 Prozent der Haushalte mit mindestens drei Personen zu. Umgekehrt kombinieren 55 Prozent der Alleinlebenden informelle mit formeller Hilfe bzw. verlassen sich vollständig auf formelle Pflege, während dies nur auf 27 Prozent der Zweipersonenhaushalte und 12 Prozent der Mehrpersonenhaushalte zutrifft.
Diese Pressemitteilung wurde am 07.05.2014 von der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) veröffentlicht.

Freitag, 23. Mai 2014

Betreutes Wohnen fällt in Thüringen neuerdings unter das Heimgesetz

Die Gesetzgebungskompetenz für das öffentlich-rechtliche Heimrecht ist schon länger von der Bundes- auf die Länderebene übertragen worden. Dabei war Thüringen in Wikipedia bisher als das letzte Bundesland verzeichnet, das noch keine eigene Gesetzgebung für den Pflegesektor verabschiedet hatte. Im Mai 2014 nahm sich der Landtag des Themas nun an und beschloss mit den vereinten Stimmen der großen Koalition aus CDU und SPD ein neues Gesetz. Insbesondere für die Einrichtungen des Betreuten Wohnens in Thüringen wird sich der gesetzliche Rahmen damit ändern, was einige Neuerungen für die Betreiber bereithält. Betreutes Wohnen im Alter ist als Form der Altenpflege immer beliebter. Im Gegensatz zu klassischen Alten- und Pflegeheimen genießen die Seniorinnen und Senioren in entsprechenden Einrichtungen deutlich mehr Selbstständigkeit, während sie in ihrem Alltag dort unterstützt werden, wo sie Hilfe brauchen.

Was ändert sich?

Hatten die Einrichtungen vorher noch eine Sonderstellung, fallen sie nun unter das Heimgesetz, auch HeimG genannt. Die größten Änderungen betreffen dabei die jeweiligen Pflichten der Betreiber, nun sowohl ein Qualitäts- als auch ein Beschwerdemanagement einführen zu müssen. Hierdurch werden die Einrichtungen nicht nur transparenter, auch das Mitspracherecht der Bewohner erhöht sich. So heißt es im Gesetzestext zum Qualitätsmanagement, es müssten Maßnahmen ergriffen werden, die „unter Qualitätsgesichtspunkten bewertet werden können und der (internen und externen) Überprüfung zugänglich sind.“ Unter diese Maßnahmen fällt zum Beispiel die Pflicht, die Eingliederung der Bewohner zu fördern und die Vorgabe einen ausreichenden Schutz vor Infektionen sowie gewisse Hygienestandards zu garantieren.

Ist eine generelle Reform der Heimgesetzgebung nötig gewesen?


Nach heutigem Stand sind in Thüringen nur noch 27% der Pflegebedürftigen in Heimen untergebracht. Andere Pflegeformen wie Betreutes Wohnen, Ambulante Pflege oder 24 Stunden Pflege sind auf dem Vormarsch und werden für viele Betroffene immer attraktiver. Damit erscheint die Reform längst überfällig und wird aus weiten Teilen der Landespolitik sogar als nicht ausreichend kritisiert. Zu groß seien die Interpretationsspielräume, so die Opposition. Es kann mit Spannung verfolgt werden, ob sich die neue Gesetzgebung bewährt, oder die Reform vielleicht schon bald wieder selbst reformiert wird.