Künstliche Intelligenz hilft, Stürze zu erkennen und Krankenhauseinweisungen zu vermeiden
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Auch mit Pflegebedarf wollen 83 Prozent der Menschen in Deutschland im eigenen Haushalt wohnen[1]. Ein Sturz kann diese Unabhängigkeit jedoch abrupt beenden oder zumindest stark einschränken. Einer Studie zufolge stürzt fast jeder zehnte Pflegebedürftige innerhalb eines beobachteten Zeitraums von zwei Wochen. Ab einem Alter von 60 Jahren machen Stürze sogar über die Hälfte der unfallbedingten Verletzungen aus[2].
Deren Folgen können einschneidend sein: Knochenbrüche oder Kopfverletzungen beispielsweise ziehen nicht selten Aufenthalte in Krankenhäusern oder Rehaeinrichtungen nach sich. Zudem kann "Sturzangst" die körperliche Aktivität und den Bewegungsradius einschränken. Dann entsteht ein Teufelskreis, denn je weniger die Muskulatur und der Gleichgewichtssinn trainiert sind, desto größer ist das Risiko für einen erneuten Sturz.
Hier setzt eine gemeinsame Studie von Techniker Krankenkasse (TK) und Philips an. Teilnehmende TK-Versicherte erhalten ein innovatives Hausnotrufsystem mit einer Basisstation und einem um den Hals zu tragenden Funksender. Mithilfe des "Sicher Zuhause"-Programms sollen Gesundheitsrisiken bei Pflegebedürftigen bereits im Vorfeld erkannt und Krankenhauseinweisungen vermieden werden.
"Pflegebedürftigkeit und ein möglichst selbstständiges Leben dürfen sich nicht ausschließen. Das Projekt "Sicher Zuhause" zeigt, wie digitale Lösungen und künstliche Intelligenz die Eigenständigkeit im Alter unterstützen können", erklärt Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK. Zudem würden Pflegende entlastet und Angehörigen ein Teil ihrer Sorgen genommen, so Ballast weiter.
So funktioniert "Sicher Zuhause" bei Stürzen
Die im Funksender integrierten Sensoren erkennen einen Sturz und lösen einen automatischen Notruf aus. Binnen kürzester Zeit meldet sich ein Mitarbeiter der Hausnotrufzentrale, der Zugriff auf die hinterlegte Adresse und wichtige Informationen hat, zum Beispiel zu Vorerkrankungen und verordneten Medikamenten. Über die Freisprechanlage des Hausnotrufgeräts kann der Hilfebedürftige von überall in der Wohnung seine Situation schildern. Je nach Bedarf werden Nachbarn, Angehörige oder der Notarzt verständigt.
Selbstlernendes System warnt vor, Gesundheitsberater kümmern sich
"Sicher Zuhause" verknüpft die Kompetenz geschulter Fachkräfte mit den Vorteilen digitaler Datenverarbeitung: Zu Beginn schildern die Teilnehmer der Studie einem speziell geschulten Gesundheitsberater telefonisch ihre persönliche Situation, etwa Krankengeschichte, Medikation und den üblichen Tagesablauf. Der um den Hals getragene Funksensor für die Sturzerkennung registriert die Bewegungsdaten.
Auf Basis der vom Sender übermittelten Daten sowie der Informationen aus dem Eingangsgespräch berechnet der selbstlernende Algorithmus tagesaktuell einen Risikowert. „Das Besondere an dieser Lösung ist, dass sie einen Risiko-Score ermittelt, der den Gesundheitszustand des Patienten darstellt. So lassen sich Anzeichen für eine Verschlechterung rechtzeitig erkennen“, sagt Dr. Andreas Landgraf, Business Development Manager bei Philips. Ist ein Grenzwert überschritten, meldet sich der Gesundheitsberater, um mögliche Ursachen, aber auch sinnvolle präventive Maßnahmen wie Krankengymnastik, einen Arztbesuch oder eine Pflegeberatung vor Ort zu besprechen.
[1] Repräsentative Forsa-Umfrage: TK-Meinungspuls Pflege 2018
[2] A. Rommel, J. Kottner, R. Suhr, N. Lahmann: Häufigkeit von Stürzen unter Klienten ambulanter Pflegedienste in Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 1, 2019