Neue Pflegebegutachtung startete am 01. Januar 2017
|
Grafik: Quelle MDS |
Am 1. Januar trat die Pflegereform in Kraft. Kern ist die Einführung eines neuen, umfassenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Damit ändert sich die Pflegebegutachtung durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) grundlegend. Mehr Menschen als bisher werden Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Versicherte mit demenzieller und gerontopsychiatrischer Erkrankung werden erstmals gleichberechtigt berücksichtigt. Das Internetportal www.pflegebegutachtung.de bietet Informationen für Pflegebedürftige, Angehörige und Fachleute.
„Mit der Reform wird die Pflegeversicherung grundlegend verändert. Sie stärkt die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen insgesamt und schafft einen gerechteren Zugang zu den Leistungen. Ein sehr großer und sehr wichtiger Schritt hin zu einer besseren Versorgung wird damit umgesetzt“, sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. Kern der Reform ist die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des damit verbundenen neuen Begutachtungsverfahrens für den MDK. Ab dem 1. Januar orientiert sich die Feststellung der Pflegebedürftigkeit am Grad der Selbstständigkeit in den elementaren Lebensbereichen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung und Umgang mit Krankheit und Therapien, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte, fest. Für jeden einzelnen Bereich werden Punktwerte ermittelt, die gewichtet und zusammengezählt eine Empfehlung für einen der fünf neuen Pflegegrade ergeben. Diese Bemessung löst die Erhebung der Pflegeminuten ab.
MDK empfiehlt geeignete Maßnahmen zu Prävention, Rehabilitation und Hilfsmittel
„Bei der Begutachtung sehen wir uns künftig die Pflegebedürftigkeit in allen Dimensionen an. Wir fragen: Was kann der Mensch noch alleine und was kann er nicht mehr alleine? Und was können wir tun, um seine Selbstständigkeit zu bewahren und zu unterstützen?“, erläutert Dr. Bettina Jonas, Geschäftsbereichsleiterin Pflege beim MDK Berlin-Brandenburg. Neben der Feststellung des Pflegegrades geben die Gutachter auch Empfehlungen zu geeigneten Maßnahmen der Prävention, Rehabilitation und für Heil- und Hilfsmittel ab. „Denn die Pflegebedürftigkeit eines Menschen kann durch solche Maßnahmen positiv beeinflusst werden“, sagt Dr. Jonas.
Menschen mit Demenz werden gleichgestellt
Ein zentraler Vorteil des neuen Begutachtungsverfahrens und der verbesserten Leistungen ist die bessere Berücksichtigung von Betroffenen mit gerontopsychiatrischen und demenziellen Erkrankungen. Dadurch haben nun auch Menschen, die sich beispielsweise im Anfangsstadium einer demenziellen Erkrankung befinden, Ansprüche auf alle Leistungen der Pflegeversicherung. „Die Betroffenen sind meistens zwar körperlich fit, aber in ihren kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt. Sie sind nachts unruhig, laufen weg oder zeigen aggressives Verhalten. Dies ist nicht nur für sie selbst, sondern auch für die Angehörigen oft sehr belastend“, erläutert Bernhard Fleer, Seniorberater Pflege MDS. Diese Versicherten können ab 2017 alle Leistungen der Pflegeversicherung von Pflegeberatung über Pflegegeld, Pflegesachleistung, Pflegehilfsmitteln, Zuschüssen für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen bis hin zu Verhinderungspflege erhalten.
Medizinische Dienste sind gut vorbereitet – Begutachtungsvolumen steigt
Der grundlegende Systemwandel für rund drei Millionen Menschen stellt alle Akteure vor große Herausforderungen – so auch die Medizinischen Dienste. Sie haben sich seit Monaten aktiv auf die Umstellung vorbereitet: Im ersten Schritt wurden mit dem GKV-Spitzenverband die Begutachtungs-Richtlinien erarbeitet. Diese sind das Handwerkszeug für die neue Begutachtung. Auf dieser Grundlage wurden bundesweit die Gutachter geschult sowie eine neue Begutachtungssoftware entwickelt und erprobt.
Auch personell haben sich die MDK auf den Übergang und das zunehmende Begutachtungsvolumen eingestellt. Bereits 2015 sind die Pflegebegutachtungen um 6,1 Prozent angestiegen. In den ersten drei Quartalen 2016 gab es einen Zuwachs um 3,4 Prozent. Zum Jahreswechsel 2016/2017 zeichnet sich ein weiterer Anstieg der Pflegebegutachtungen ab. In den Zahlen spiegelt sich die Medienberichterstattung über die anstehenden gesetzlichen Änderungen wider.
Informationen für Versicherte und Fachleute auf www.pflegebegutachung.de
Um Versicherte und Fachleute über das neue Begutachtungsverfahren und die damit verbundene Neuerungen zu informieren, haben die Medizinischen Dienste das Internetportal www.pflegebegutachtung.de freigeschaltet auf dem verschiedene zielgruppengerechte Informationen zur Verfügung stehen. Für pflegebedürftige Menschen und Angehörige finden sich dort Hinweise und Tipps rund um die neue Begutachtung – nicht nur in deutscher und in leichter Sprache, sondern auch in mehreren Übersetzungen. Ein Erklärfilm erläutert kurz, knapp und anschaulich den MDK-Besuch. Für Experten aus Einrichtungen und ambulanten Diensten steht unter anderem eine ausführliche Fachinformation zur Verfügung.
Hintergrund:
Wer Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung möchte, muss einen Antrag bei seiner Pflegekasse stellen. Diese beauftragt dann den MDK mit der Begutachtung des Versicherten in seinem häuslichen Umfeld oder im Pflegeheim.
Der MDK-Gutachter erstellt ein Pflegegutachten, das nicht nur die Empfehlungen für einen Pflegegrad, sondern auch für geeignete Maßnahmen der Prävention, Rehabilitation sowie für Heil- und Hilfsmittel enthält. Das Gutachten sendet der MDK zur Pflegekasse. Von dort erhält der Versicherte den Leistungsbescheid und das Gutachten. Bislang erfolgt die Einordnung der Pflegebedürftigkeit in drei Stufen. Dieses System wird zum 1. Januar auf fünf Pflegegrade umgestellt. Für Versicherte, die bereits Leistungen erhalten, erfolgt die Umstellung auf Pflegegrade automatisch. Eine neue Begutachtung ist dafür nicht erforderlich.