Arbeitgeber übersehen weiterhin die personalpolitische Brisanz des Themas Pflege
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Pflege ist nicht immer mit "Pflege der Eltern" gleichzusetzen. Auch der Partner kann pflegebedürftig sein.
Nur jeder zweite Arbeitgeber hat sich bislang mit dem Thema
„Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ beschäftigt. Nicht einmal ein Drittel bietet nach eigenen
Angaben pflegegerechte Maßnahmen an.
Bei den Beschäftigten kommt dieses geringe Angebot zudem
kaum an: Lediglich 17 % der Beschäftigten bestätigen, dass ihr Arbeitgeber betriebliche Lösungen zur
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege anbietet. Diese Lücke und eine weiterhin mangelnde Bereitschaft
der Arbeitgeber in diesem Themenfeld aktiv zu werden, deckt die neue Befragung „Beruf und Pflege“
auf.
Als Grund, sich nicht stärker im Themenfeld Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu engagieren, geben
65 % der Arbeitgeber an, dass die Notwendigkeit für betriebliches Handeln erst in ein paar Jahren
bestehen wird, wenn die Zahl Pflegebedürftiger weiter zugenommen hat.
Stefan Becker,
Geschäftsführer der berufundfamilie gGmbH, warnt: „Mit dieser Haltung verpassen Arbeitgeber eine
wichtige Chance, sich rechtzeitig für die Zukunft aufzustellen. Zwei von drei Beschäftigten (69 %)
rechnen damit, dass sie künftig einen Angehörigen pflegen werden. Wenn sie keine betriebliche
Unterstützung erhalten, wird sich ein nicht unerheblicher Teil dazu entschließen müssen, ihr
berufliches Engagement einzuschränken oder sogar ganz aufzugeben.
Der personalpolitische Druck
wird angesichts des steigenden Fachkräftemangels durch das Pflegethema also unweigerlich und
rasant ansteigen.“
Dieser Entwicklung tragen Arbeitgeber jedoch immer noch nicht in ausreichendem Maße Rechnung.
Zum einen hat in den letzten drei Jahren der Anteil der Personalentscheider, die sich mit dem Thema
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege beschäftigt haben, nur um 12 % (von 38 % auf 50 %) zugenommen.
Zum anderen deckt ihr bisheriges Angebot an pflegegerechten Maßnahmen nur unzureichend den
Bedarf ab.
Arbeitgeber bieten zwar mehrheitlich die von Beschäftigten gewünschten flexiblen
Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeitkonten an, zu wenig verbreitet sind aber die von den Arbeitnehmern
für sinnvoll erachteten finanzielle Hilfen und bezahlte Freistellungen. Die Möglichkeit zur
Arbeitszeitreduzierung und unbezahlte Freistellungen bieten die Arbeitgeber dagegen in einem
höheren Umfang an, als er von den Beschäftigten für sinnvoll erachtet wird.
Fehlende Strategie trifft auf mangelnde Kommunikation
Stefan Becker: „Hier treffen zwei wichtige Aspekte zusammen: die fehlende strategische
Auseinandersetzung und die mangelnde Kommunikation mit den Beschäftigten. 84 % der Arbeitgeber
geben beispielsweise an, dass sie Schwierigkeiten beim Einstieg in das Thema haben, weil ihnen
Praxishilfen fehlen. Auch der angeblich hohe organisatorische Aufwand (84 %) und eine erwartete
Kostenintensität (80 %) stehen einem Ausbau der Maßnahmen im Weg.
Dieses Zögern muss dringend
einer Offensive weichen, in der die pflegegerechte Personalpolitik strategisch angelegt ist. Dabei ist es
wichtig, gemeinsam mit den Beschäftigten Lösungen zu erarbeiten. Reden Arbeitgeber und
Beschäftigte nicht miteinander, können auch keine passgenauen Angebote entstehen.“
Praxishilfe „Stufenplan“
Der von der berufundfamilie gGmbH entwickelte Stufenplan zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
dient Arbeitgebern als praktisches Hilfetool beim Einstieg in das Thema.
In vier strategisch aufeinander
aufbauenden Stufen listet er über 80 mögliche Maßnahmen, die häufig nur eines geringen Aufwands
und geringer Kosten bedürfen. Dabei sieht er von Anfang an die Kommunikation als einen der Schlüssel
zu einer gelingenden pflegegerechten Personalpolitik.
Informationen zur Unternehmens- und Beschäftigtenumfrage: „Beruf und Pflege“ (GfK, September
2014) sind hinterlegt unter: http://www.beruf-und-familie.de/index.php?c=37 .
Wie in der ersten Studie zu diesem Thema im Jahr 2011 wurden erneut 500 Arbeitgeber befragt.
Zusätzlich berücksichtigt die aktuelle Umfrage die Meinung von 500 Beschäftigten ab 35 Jahren.
Die
berufundfamilie gGmbH – eine Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung – hat die Studie
beauftragt, durchgeführt wurde sie von GfK.
Die 1998 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründete Initiative berufundfamilie gGmbH hat sich
bundesweit als Kompetenzträger in Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie etabliert. Mit dem Ziel,
die Qualität des öffentlichen Diskurses im Themenfeld „Beruf und Familie“ zu verbessern und für die Praxis
modellhafte Lösungsansätze zu schaffen – u. a. als Entwickler des audit berufundfamilie – hat sie
insbesondere mit Blick auf die Belange der geburtenstarken Jahrgänge Impulse gesetzt.
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