Mittwoch, 28. August 2019

Sozialgericht Münster: Wechsel des Pflegedienstes auch bei Intensivpflege möglich

Krankenkasse kann einen anderen geeigneten, günstigeren Pflegedienst für Intensivpflege benennen




Ein Versicherter hat keinen Anspruch darauf, dass die häusliche Krankenpflege durchweg vom selben Pflegedienst durchgeführt wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn (1.) andere von der Krankenkasse benannte Pflegedienste offensichtlich in der Lage sind, die Krankenpflege ebenfalls fachgemäß durchzuführen und (2.) keine persönliche, einen Wechsel erschwerende Bindung des Versicherten an eine bestimmte Pflegeperson vorliegt. Dies hat das Sozialgericht Münster in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden (Beschluss vom 21.06.2019, Aktenzeichen: S 17 KR 1206/19 ER).

Im vorliegenden Fall hatte die Krankenkasse einer zwölfjährigen, nach einem Ertrinkungsunfall multipel behinderten Versicherten aus dem Kreis Coesfeld sog. häusliche Krankenpflege (u.a. Absaugen der oberen Luftwege, Krankenbeobachtung) in einem Umfang von 50 Stunden/Woche bewilligt. Nachdem der bisherige Pflegedienst seinen Versorgungsvertrag mit der Krankenkasse zu Ende Juni 2019 gekündigt und eine weitere Pflegetätigkeit von einer höheren Bezahlung abhängig gemacht hatte, beantragte die Versicherte durch ihre Eltern vorsorglich gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Krankenkasse zur Weiterversorgung mit dem bisherigen Pflegedienst auch über Juni 2019 hinaus zu verpflichten. 

Das Sozialgericht Münster lehnte den Antrag ab. Zwei andere von der Krankenkasse benannte Pflegedienste seien ebenfalls in der Lage, die Intensivpflege des Mädchens ab Juli 2019 sicherzustellen. Da der bisherige Pflegedienst in der Vergangenheit offenbar mehrere Pflegepersonen eingesetzt habe, sei auch keine persönliche Bindung der Versicherten zu einer bestimmten Pflegeperson erkennbar, die – auch unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts der Versicherten – einem Wechsel des Pflegedienstes entgegenstehen könnte. Der Krankenkasse sei bei einem solchen Sachverhalt der Wechsel von einem teureren hin zu einem preiswerteren Pflegedienst zu ermöglichen, auch um im Interesse der anderen Versicherten dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu genügen.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Münster ist noch nicht rechtskräftig.

Mittwoch, 21. August 2019

Krankenkasse muss für Pflege in Senioren-WG zahlen

Bewohner von Senioren- und Demenzwohngruppen haben grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege gegenüber ihrer Krankenkasse



Nach den gestrigen drei Entscheidungen des 5. Senats des Bayerischen LSG gilt dies auch für Maßnahmen der sog. einfachsten medizinischen Behandlungspflege, die grundsätzlich auch von medizinischen Laien geleistet werden könnte. Hierunter fällt zum Beispiel das Messen von Blutzucker, das Verabreichen von Medikamenten, das Anziehen von Kompressionsstrümpfen. Ein solcher Anspruch könnte dann entfallen, wenn aufgrund eines Vertrages, z.B. des Betreuungsvertrages der Wohngruppe, diese Leistungen ausdrücklich im Rahmen der Betreuung zu erbringen sind. In allen anderen Fällen bleibt es allerdings bei der Leistungspflicht der Krankenkasse.

Eine große bayerische Krankenkasse verweigerte Senioren, die in Demenz- oder Senioren-Wohngemeinschaften leben, die Leistungen zur häuslichen Krankenpflege wie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, Medikamentengabe, Blutzuckermessungen, obwohl eine ärztliche Verordnung vorlag. Sie begründete dies damit, dass es sich dabei um Maßnahmen handle, die keine medizinische oder pflegerische Fachkunde erfordern und daher von anderen Personen, die in der WG sich um die Betreuung der Bewohner kümmern, durchzuführen seien. Das Sozialgericht Landshut hatte in drei Musterverfahren den Klagen der Versicherten stattgegeben.

Das Bayerische LSG hat die Berufungen der Krankenkasse zurückgewiesen und in allen drei Fällen die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

(Aktenzeichen L 5 KR 402/19, L 5 KR 403/19, L 5 KR 404/19)

Mittwoch, 14. August 2019

Angehörigen-Entlastungsgesetz: Deutliche Verbesserungen für Familien

Kinder sollen für eine Kostenübernahme der Pflege ihrer Eltern nur noch ab einem Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 Euro herangezogen werden


Dr. Ulrich Schneider
Foto: Der Paritätische Gesamtverband

Als sinnvolle und überfällige Maßnahme begrüßt der Paritätische Gesamtverband das geplante Angehörigen-Entlastungsgesetz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Nach Plänen des Ministeriums sollen ab 2020 Angehörige von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, die Hilfe zur Pflege oder andere Leistungen der Sozialhilfe beziehen, erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro selber zahlen müssen.

Damit wird eine alte Forderung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sowie der Behindertenverbände umgesetzt. „Das ist nicht nur eine notwendige, finanzielle Entlastung, sondern auch eine überfällige Wertschätzung von Menschen, die pflegebedürftige Angehörige haben“, erklärt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen profitieren unmittelbar. Nach Angaben des Ministeriums würden die Angehörigen von rund 275.000 Leistungsbezieher*innen erreicht.

Darüber hinaus verschaffe die Regelung weitere Gerechtigkeit, denn die Selbstbeteiligungsgrenze gilt bereits bei älteren und bei erwerbsgeminderten Angehörigen. Schneider: „Dass hier gleichgezogen wird, ist gerecht und nur konsequent.“

Außerdem sieht der Gesetzentwurf Verbesserungen für Menschen mit Behinderung vor, die in Werkstätten arbeiten, von denen nach Angabe des Paritätischen Gesamtverbandes viele seiner Mitglieder mit Behinderteneinrichtungen profitieren würden.