Bundesweit unterstützen etwa 230.000 der 12- bis 17-Jährigen regelmäßig bei der Pflege
Rund 1,9 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen, werden zu Hause versorgt. In gut zwei Drittel dieser Fälle wird die Pflege ausschließlich durch pflegende Angehörige geleistet. Auch minderjährige Kinder und Jugendliche unterstützen regelmäßig bei Pflegeaufgaben in der Familie. Etwa fünf Prozent aller Jugendlichen in Deutschland – also rund 230.000 – sind dabei bedeutend in die Versorgung Angehöriger eingebunden. Dies zeigt eine repräsentative Befragung der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) unter über 1.000 12- bis 17-Jährigen.
„Wir sind als Gesellschaft gefordert, unsere Sinne für die Belange junger Pflegender zu schärfen. Denn obwohl sie oft mit besonderen Problemen konfrontiert sind, findet ihre Situation in der Öffentlichkeit kaum Beachtung. Auch in den Schulen ist das Thema oft nicht auf dem Radar. Es fehlt an gezielten Informations- und Unterstützungsangeboten für junge Pflegende“, erklärt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP).
Dabei ist der Umfang der Hilfe, die pflegende Jugendliche leisten, beträchtlich. Die überwiegende Mehrheit von ihnen (90 %) hilft mehrmals in der Woche, ein Drittel (33 %) sogar täglich. Sie übernehmen vielfältige Aufgaben: Zumeist gehen sie den Pflegebedürftigen bei Einkäufen zur Hand (58 %) oder begleiten bei der Freizeitgestaltung (50 %). Viele von ihnen helfen ihren Angehörigen beim Zubereiten der Mahlzeiten (34 %), beim Aufstehen und Gehen (33 %) oder bei der Nahrungsaufnahme (27 %). Bei der Einnahme von Medikamenten oder bei der Körperpflege unterstützen 16 bzw. sieben Prozent ihr Familienmitglied.
Während die eine Hälfte der pflegenden Jugendlichen sich durch die Pflegesituation nicht beeinträchtigt fühlt (49 %), gibt die andere Hälfte (51 %) an, dadurch belastet zu sein. Konkret benennt mehr als die Hälfte der pflegenden Jugendlichen ihre Sorgen um den Angehörigen. Negativ wird auch der Mangel an Freizeit (12 %), die körperliche Anstrengung (10 %) oder niemanden zum Reden zu haben (9 %) empfunden. Positiv eingeschätzt wird hingegen von fast allen Befragten dieser Gruppe (93 %), dass sie helfen können. Sehr viele finden es außerdem gut, dass die Familie durch die Pflegesituation stärker zusammenhält (74 %).
„Es spricht erstmal nichts dagegen, junge Menschen in eine familiäre Pflegesituation einzubeziehen. Aber die Aufgaben müssen altersangemessen sein. Dominiert die Pflege den Alltag der Kinder und Jugendlichen, drohen emotionale, soziale und schulische Probleme. Langfristig kann all das chronische Erkrankungen und Nachteile in Bezug auf Bildung und Ausbildung zur Folge haben“, sagt Suhr.
Nach möglichen Unterstützungsangeboten gefragt, gibt jeweils ein gutes Drittel an, Hilfe durch einen Pflegedienst oder eine Beratung in Anspruch nehmen zu wollen (34 % bzw. 36 %). 24 Prozent würden sich gerne an ein Sorgentelefon wenden.
Anfang 2017 wird das ZQP einen umfassenden Report zum Thema pflegende Kinder und Jugendliche herausgeben.
Methode und Vorgehensweise
Befragt wurden Minderjährige im Alter von 12 bis 17 Jahren aus dem gesamten Bundesgebiet, deren Eltern im forsa.omninet-Panel mit etwa 20.000 Personen repräsentiert sind. Die Kinder und Jugendlichen wurden über die Eltern gebeten, an der Befragung teilzunehmen. Repräsentative Stichprobe: n=1.005. Art der Befragung: Anonyme schriftliche Online-Befragung (In-Home-Befragung am PC). Erhebungszeitraum: 14. bis 27. Juni 2016.
Statistische Fehlertoleranz: +/- 3 Prozentpunkte in der Gesamtstichprobe.
Nicht exakt festzustellen ist, ob dem Anteil der Jugendlichen, der von Hilfe- oder Pflegebedürftigkeit betroffen ist, in der Stichprobe ein Auswahleffekt zugrunde liegt.